Beyond the Screen

Nicolas Rabaeus über BISONS und Bewegung

26.01.2024

BISONS feiert seine internationale Premiere am Internationalen Filmfestival Rotterdam IFFR. Nicolas Rabaeus komponierte die Filmmusik dazu. An der Nacht der Nominationen erhielt er drei Nominationen für den Schweizer Filmpreis. Zeit für ein Gespräch über Musik und Bewegungen

Was macht die Filmmusik von BISONS aus? Woher nehmen Sie die Inspiration für das musikalische Thema des Films?

Ich versuche immer, neue Gebiete zu erkunden, wenn ich eine Filmmusik beginne. In diesem Fall liess ich mich von Olivier Messiaens Lehrbuch «Technik meiner musikalischen Sprache» inspirieren, in dem ich einen Zugang fand, mich den verschiedenen musikalischen Farben zu nähern. Danach habe ich nach einer harten, gequälten melodischen Linie gesucht – ähnlich einem heulenden Tier. Im Kontrapunkt gibt es Momente des Lichts, der Leichtigkeit, wenn der Protagonist «in the zone» ist und ihm alles leichtfällt.

Wie lange haben Sie für die Fertigstellung von BISONS benötigt?

Ich habe zunächst einen Monat lang vor den Dreharbeiten gearbeitet und die Hauptthemen geschrieben. Dann, als der Schnitt schon weit fortgeschritten war, habe ich einen weiteren Monat daran gearbeitet.

Wie sind Sie eigentlich zur Filmmusik gekommen? Stand es jemals zur Debatte, eine Band zu gründen und durch die Welt zu touren?

Ich hatte in den frühen 2000er Jahren mal eine Band. Und ich würde sicherlich gerne eines Tages wieder auf die Bühne zurückkehren. Aber im Moment steht das nicht zur Debatte, weil ich mich voll und ganz dem Komponieren von Filmmusik widme.

Filmmusik ist ein Bereich, in dem ich mich wohlfühle. Als ich jünger war, habe ich die Beatles geliebt (das tue ich heute immer noch...). Die Person, die mich in dieser Gruppe am meisten faszinierte, war George Martin, der fünfte Mann, der künstlerische Leiter und auch der musikalische Arrangeur. Er passt sehr gut zu mir, er stand nicht im Rampenlicht, sondern blieb ein bisschen im Hintergrund.

Wie kann man sich die Arbeit eines Filmmusikkomponisten vorstellen? Bekommt man einen Stummfilm und legt los oder gibt es ein «Briefing» vom Regisseur oder von der Regisseurin mit Anweisungen wie traurig, glücklich, sensibel, demoralisierend, die es zu befolgen gilt?

Meistens erhalte ich Bilder oder einen Rohschnitt (mit Ton), den ich dann mit der Regie bespreche. Ich spreche dabei fast nie von Emotionen, sondern mehr von Bewegung (es ist dieselbe etymologische Wurzel: E-Motion). Sie müssen bestimmen, wie die Bewegung einer Szene aussehen soll und wie die Musik diese Bewegung unterstreichen oder manchmal den Kontrapunkt dazu spielen wird. Es ist tatsächlich die Emotion, die aus der Form hervorgeht, nicht umgekehrt.

Was war für Sie die bisher schwierigste Herausforderung und beste Erfahrung mit einem Projekt?  Worauf sind Sie persönlich stolz?

Die Arbeit an FOUDRE war eindeutig eine der anspruchsvollsten Herausforderungen, denen ich mich je stellen musste. Es ist komplex, ein Gleichgewicht zwischen Tradition und Neuheit zu finden. Ich denke, dass wir gemeinsam mit Carmen Jaquier etwas Schönes geschaffen haben. Stolz ist nicht das richtige Wort, aber ich bin sehr glücklich und überrascht vom Ergebnis!

Für wen oder mit wem würden Sie gerne einmal Musik «schreiben»?

Ich würde gerne an einem Theaterstück arbeiten.

Gibt es ein modernes Stück, eine Regisseurin oder einen Dramaturgen, die Ihnen besonders gut gefällt?

Die beiden schönsten Aufführungen, die ich in den letzten Jahren gesehen habe, sind «Olympia» von Rébecca Balestra und «Room with a View» des Kollektivs La Horde. «Olympia» ist eine Reise zwischen Theater und Musik, sowohl metaphysisch als auch witzig, auf der uns Rébecca Balestra ins Licht führt. Ich bewundere Rébecca für ihr beeindruckendes Gespür für Versrhythmik und Betonungen und ihrem perfekten Schauspiel. «Room with a View» ist eine kraftvolle, überschwängliche und grosszügige Tanzperformance, die mir Tränen in die Augen trieb.

Welches Projekt würden Sie gerne anpacken?

Ein persönliches Projekt von mir ist, Electro-Dance-Musik zu komponieren und aufzuführen. Ich schreibe auch ein Buch über Musik und Bewegung und würde mir gerne die Zeit nehmen, es fertigzustellen.

Sie unterrichten unter anderem an der Musikhochschule Waadt-Wallis-Freiburg (HEMU). Welche besonderen Erfahrungen können Sie durch Ihre Arbeit als Filmmusikkomponist an Ihre Studierenden weitergeben?

Ich denke, dass ich meine Schüler:innen vor allem durch die Vielfalt der Stile und die Aufgeschlossenheit am meisten begeistern kann. Als Filmmusikkomponist muss man sich mit vielen verschiedenen Musikgenres auseinandersetzen, und das hilft einem, Musik interdisziplinär zu denken. Ich versuche meine Schüler:innen dazu zu bringen, Musik in nichtmusikalischen Begriffen wie Bildern, Gefühlen etc. zu denken.

Newsletter