Changemaker Series 2025

The Audience in Mind

11.12.2025

Die Changemaker Series von SWISS FILMS beschäftigte sich 2025 mit einer Frage, die für die Branche von zentraler Bedeutung ist: Wie kann man das Publikum in einer von Fragmentierung, KI und sich verändernden kulturellen Gewohnheiten geprägten Landschaft besser verstehen, erreichen und einbinden?

Drei europäische Expertinnen haben in Online-Talks Instrumente, Methoden und Erfahrungen vorgestellt, welche dazu inspirieren, die Beziehung zwischen Filmen und ihren Zuschauer:innen neu zu denken.

Marju Sokman, Tallinn: “How AI is reshaping communication strategies in the film industry”

Marju Sokman, Marketingberaterin an der Schnittstelle von Technologie und Kulturindustrie, eröffnete die Veranstaltungsreihe mit der Feststellung: Wir bewegen uns in einer Landschaft, in der «das Publikum in personalisierten Bubbles lebt und die Marketingbereiche gesättigt sind». In diesem Zusammenhang ist KI kein kosmetisches Werkzeug, sondern ermöglicht es, die Grenzen des traditionellen Marketings zu öffnen.

Zielgruppen-Targeting basiert nicht mehr auf demografischen Daten, sondern auf Verhaltensweisen und «mindsets», wobei Algorithmen die traditionelle Segmentierung ablösen. Der/die Kommunizierende beeinflusst somit die Algorithmen», indem er oder sie relevante kulturelle Signale liefert. Marju Sokman weist auch auf die wachsende Bedeutung von Influencern hin, die wie «Freund:innen, deren Geschmack wir kennen», wahrgenommen werden, sowie auf die strategische Bedeutung von Bewertungs- und Community-Plattformen. KI legt in erster Linie den Rahmen fest – der Kontext, welcher diesen Tools gegeben wird, bestimmt die Qualität der Ergebnisse.

Sie plädiert für agilere Content-Strategien, insbesondere für die «DJ-Methode», bei der man von einem zentralen Inhalt ausgeht und diesen dann für mehrere Plattformen anpasst (oder «remixt»). Sie warnt aber auch vor künstlichen Inhalten wie gefälschte Bewertungen oder Deepfake-Videos, die das Vertrauen des Publikums untergraben.

Sanne Juncker Pedersen, Kopenhagen: «Institutional strategies for shaping audience research»

Die Verantwortliche für den Bereich «Audience Development» am Danish Film Institute, erläuterte eine eher institutionelle Betrachtungsweise des Themas: Was wäre, wenn man zur Gewinnung neuer Zuschauer zunächst die Branche selbst weiterentwickeln müsste?

«Man kann sich fragen, ob es wirklich Aufgabe des Publikums ist, sich weiterzuentwickeln, oder ob dies nicht eher Aufgabe der Branche oder des Marktes ist.» Dieser Perspektivwechsel prägt die dänische Strategie, die auf 20 Jahren systematischer Beobachtung basiert: obligatorische Testscreenings, eine Datenbank zu mehr als 1’200 Titeln, monatliche Analysen und landesweite Publikumsbefragungen, um die mangelnde Transparenz der Plattformen ausgleichen.

Mit dem Programm «Closer to the Audience integriert das DFI nun bereits im Vorfeld von Filmstarts die bisherigen Insights; nicht um das Publikum entscheiden zu lassen, sondern um die Kreativteams zu inspirieren, blinde Flecken aufzudecken und Vorurteile zu hinterfragen. Ein wichtiges Ergebnis dabei ist, dass das Publikum oft mutiger ist als von der Branche angenommen.

Diese Dynamik fördert mutigere Entscheidungen und fördert die Zusammenarbeit zwischen Kinos, kulturellen Partnern und den Produktionsteams, während die Herausforderung, ein jüngeres und diverseres Publikum zu erreichen, weiterhin im Fokus steht.

Síle Culley, Dublin: «Beyond demographics: Designing audiences that actually exist»

Die Distribution Consultant und Spezialistin für Audience Design, schloss die Reihe mit einem wichtigen Grundsatz: In einem gesättigten Markt kann ein Film nie einfach «alle» interessieren. Wer ein zu breites Publikum ansprechen will, erreicht meist niemanden.

Sie nennt zwei häufige blinde Flecken: die Tendenz, sich ein fiktives Publikum vorzustellen, das eher aus dem eigenen Umfeld als aus realen Daten besteht, und die Diskrepanz zwischen Kreativteams und kommerziellen Stakeholdern. Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt sie, über zu allgemeine demografische Kategorien hinauszugehen und einen psychografischen Ansatz zu verfolgen, der sich auf die Motivationen, kulturellen Gewohnheiten, Werte und Lifestyle des Publikums konzentriert.

Aus dieser Perspektive wird das Audience Design zu einem Präzisionsinstrument. Es beinhaltet die Erstellung aussagekräftiger Personas und die Ermittlung von Zuschauergruppen, die wirklich auf den Film ansprechen werden. Diese Arbeit muss bereits sehr früh in der Entwicklungsphase erfolgen, damit die künstlerische Vision, die kulturelle Relevanz und die Vertriebsstrategie von Anfang an aufeinander abgestimmt werden können.

Abschliessend erinnert uns Síle Culley daran, dass Hoffnung keine Strategie ist. Um eine dauerhafte und zielgerichtete Beziehung zwischen einem Film und seinem Publikum zu ermöglichen, muss der gesamte Lebenszyklus eines Films berücksichtigt werden.

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