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Nicolas Burlet über die Herausforderungen bei Animationsfilmen

22.11.2023

Wenn das Walliser Städtchen Martigny den Tropenwald beherbergt, muss Nadasdy Film und die 40-köpfige internationale Filmcrew am Werk sein. Sie alle realisieren hier in minutiöser Kleinstarbeit den Stop-Motion-Animationsfilm SAUVAGES! – den neuen Film von Regisseur Claude Barras nach seinem Oscar-nominierten MA VIE DE COURGETTE. Eine Hommage an die Natur und die Menschen in Borneo. 

SWISS FILMS hat kurz vor Abschluss der Dreharbeiten das Set besucht und sich mit dem Produzenten Nicolas Burlet unterhalten.

Die zwei wichtigsten Figuren: Kéria und der kleine Oran-Gutan
Die zwei wichtigsten Figuren: Kéria und der kleine Oran-Gutan
Bild für Bild entsteht die Stop-Motion-Animation.
Bild für Bild entsteht die Stop-Motion-Animation.
Münder und Augenlider müssen für jede Aufnahme mit der Pinzette neu platziert werden, um einen möglichst echten Gesichtausdruck zu erreichen.
Münder und Augenlider müssen für jede Aufnahme mit der Pinzette neu platziert werden, um einen möglichst echten Gesichtausdruck zu erreichen.

Wovon handelt SAUVAGES!?

SAUVAGES! erzählt die Geschichte von Kéria, einem 11-jährigen Mädchen, das mit seinem Vater in einer Siedlung neben einer Palmölplantage auf Borneo lebt, am Rande des tropischen Regenwalds. Eines Tages findet sie ein verwaistes Orang-Utan Baby und folgt dem Äffchen in den Wald. Damit beginnt Kéria für sich den tropischen Urwald zu entdecken. Sie lernt ihre indigenen Familienangehörigen kennen, welche als Penan im Wald leben, und diesen vor Zerstörung schützen wollen.

Was ist für Sie der grösste Unterschied als Produzent, der zahlreiche Kurzfilme realisiert hat, an einem so aufwändigen, langen Animationsfilm zu arbeiten?

Die Dimensionen und das Risiko unterscheiden sich. Aber sonst steckt dieselbe Arbeit dahinter, einfach mit mehr von allem: Mehr Personal, mehr Organisation, mehr Geld. Für SAUVAGES! wurden 19 verschiedene Sets erstellt. In 10 der Sets wird jeweils mit einem Animator die Stop-Motion-Animation gedreht, in den anderen werden die Szenen akribisch vorbereitet. So schaffen wir es, an einem Tag im Schnitt 40 Sekunden Film zu drehen.

Wie ist es in der Schweiz Animationsfilme zu machen?

Die Schweiz ist ein Land mit einer kleinen, noch jungen Animationsfilmbranche. Allgemein ist die Finanzierung von Filmen schwierig und Animationsfilme sind teuer. Lange Animationsfilme werden hier sehr wenige realisiert. Ausserdem ist es nicht einfach, Spezialist:innen und Techniker:innen zu finden. Das ist viel schwieriger als in Frankreich oder Deutschland, wo es eine grosse Filmindustrie gibt.

Für Sie sind Koproduktionen also sehr wichtig?

Für Animationsfilme sind sie besonders wichtig! SAUVAGES! ist eine Koproduktion zwischen der Schweiz, Frankreich und Belgien mit einem Budget von 13 Millionen – viel Geld für einen Schweizer Animationsfilm, aber nach internationalen Massstäben ein eher bescheidenes Budget. Koproduktionen erlauben uns einerseits unsere Projekte zu finanzieren, wir können aber auch viel dabei lernen und von Know-how profitieren, das in der Schweiz nicht unbedingt vorhanden ist. So haben einige Crewmitglieder von SAUVAGES! bereits mit Tim Burton, Wes Anderson, Guillermo del Toro oder in den Aardman Studios gearbeitet.

An welchen weiteren Projekten arbeitet Nadasdy Film?

Wir sind gerade in Produktion mit einem langen Animationsfilm von Marcel Barelli (MARY ANNING), der im Sommer 2024 fertig wird. Ausserdem arbeiten wir an drei 26-minütigen so genannten TV Specials und an mehreren Kurzfilmen. Zahlreiche Projekte sind in Entwicklung; unter anderem die ersten langen Animationsfilme von Isabelle Favez (ROUXELLE ET LES PIRATES), und von Marjolaine Perreten. Zurzeit sind wir auch an der Finanzierung des XR- Projekts SUNSET MOTEL von Gilles Jobin und Thomas Ott.

Ist die Arbeit an einem XR-Projekt sehr anders als für eine Stop Motion Animation?

Der künstlerische Prozess ist ähnlich, aber die technische Ausführung ist eine ganz andere. Im Fall von SUNSET MOTEL ist das 3D CGI. Aber sonst ist die Arbeit dieselbe: das Geld finden, den Dreh organisieren.

Wie werden Animationsfilme in 10 Jahren aussehen, mit den neuen Techniken, die zur Verfügung stehen werden?

Wie in anderen Bereichen werden repetitive Aufgaben, wie das Kolorieren, automatisiert werden. Für Hilfskräfte wird es wohl schwieriger werden. Aber die neuen Werkzeuge, auch die so genannt intelligenten, können nur das wiederholen, was sie schon kennen. Die menschliche Kreativität, jemanden wie Claude Barras, wird man nie ersetzen können. Ebenso wenig die Visionen oder das Genie. Daran wird sich nicht viel ändern, es braucht die Menschen dahinter!